Wesenstest
Rosi bleibt ganz cool ...
Bullterrier-Hündin muss im "Wesenstest" ihre Gutmütigkeit beweisen.
Rosi ist ein Herz von einem Hund: verspielt, anhänglich und absolut verträglich mit anderen Hunden. Und dennoch gilt sie per Definition als gefährlich.
Denn Rosi ist ein Bullterrier und fällt damit unter die Einstufung der hessischen Hundeverordnung (Kampfhundeverordnung).
"Für uns bedeutet das, dass wir Rosi mit spätestens 16 Monaten bei einem
anerkannten Prüfer zum Wesenstest vorgeführt haben müssen", erklärt ihr Herrchen
Ray Gramatzki aus Hommertshausen. Anhand dieses Tests soll das
Aggressions-Potenzial der als gefährlich eingestuften Hunde herausgefunden
werden.
Dazu müssen die Tiere verschiedene Aufgaben absolvieren, die aus dem Alltag
gegriffen sind. "Zum Beispiel kommt eine Frau mit einem schreienden Kind auf uns
zu", erklärt Gramatzki eine der Übungen. Der Hund darf dann zwar schauen, aber
nicht bellen oder gar nach dem Kind schnappen. In einer anderen Situation
stolpert ein älterer Herr direkt vor dem Hund und liegt am Boden. Auch hier muss
Rosi Ruhe bewahren und am besten still sitzen bleiben.
Darüber hinaus geht der Prüfer mit einem Stock oder Regenschirm auf den Hund los
und auch der Begegnungsverkehr mit anderen Hunden steht auf dem Prüfungsplan.
Rosi hat all diese Situationen mit Bravour gemeistert und wurde für ihr ruhiges
Verhalten sogar mit der Bestnote bewertet.
Das sei auch ein Stück weit das Verdienst von Hundetrainer Axel Wöhr, sagt
Gramatzki. Der bietet in seiner Hundeschule in Weifenbach nämlich
Vorbereitungskurse für den Wesenstest an. "Im Grunde handelt es sich dabei um
ein Aufbautraining", verrät Wöhr. Je früher die Hunde damit beginnen, desto
einfacher ist es, sie zu erziehen. Am Anfang steht dabei ein Gespräch mit dem
Hundehalter und eine erste Begutachtung des Hundes.
Erst danach entscheidet Wöhr, ob überhaupt ein Training begonnen werden soll.
"Denn es gibt durchaus Fälle, da erachte ich das nicht als sinnvoll", erklärt er
- und die liegen oft im Verhalten der Halter begründet. Wöhr: "Ich denke, kein
Hund ist an sich aggressiv, aber ein Halter kann auch den friedlichsten Hund
aggressiv machen." Ist die Entscheidung für eine Aufnahme gefallen, beginnt das
Training zunächst mit der Sozialisierung des Hundes - sprich: dem Kontakt mit
anderen Hunden.
Sobald die Tiere auf dem Gelände frei miteinander herumtollen und spielen
können, ohne gegenseitig Aggressionen zu zeigen, sei der Grundstein für die
Arbeit gelegt. Daran schließen sich dann verschiedene Übungen an, wie sie auch
bei dem Wesenstest erfolgen.
So werde der Hund Schritt für Schritt vorbereitet und lerne, die entsprechenden
Situationen als vollkommen normal kennen, erklärt Wöhr. Ist der Wesenstest erst
einmal bestanden, bedeutet das allerdings nicht, dass der Hund damit vom
Generalverdacht freigesprochen wäre. "Wir müssen alle vier Jahre erneut zum
Wesenstest antreten, um zu zeigen, dass sich Rosis Verhalten nicht verändert
hat", sagt Ray Gramatzki.
Sollte dann doch einmal etwas vorfallen, ein Hund etwa einen anderen oder gar
einen Menschen beißen, müssen die Halter mit erheblichen Strafen rechnen.
"Zunächst wird die Hundesteuer deutlich erhöht, und im schlimmsten Fall können
die Hunde ihren Besitzern weggenommen und ins Tierheim gegeben werden", erklärt
Gramatzki.
Hunde, die durch Beißen auffällig werden, müssen ebenfalls zum Wesenstest
Deren Zukunft sehe dann nicht sonderlich rosig aus. Während der Wesenstest für
die unter der Hundeverordnung aufgeführten Tiere Pflicht ist, kann er aber auch
anderen Hunden auferlegt werden.
Wenn etwa ein Beißunfall vorliegt, werden die Halter von ihren jeweiligen
Ordnungsämtern aufgefordert, den Hund zum Test vorzuführen. Denn ab diesem
Moment gilt dann auch der bis dato brave Hund als potenziell gefährlich und muss
dieselbe Prozedur über sich ergehen lassen, wie die per se eingestuften Tiere.
Von Sascha Valentin
Axel Wöhr (rechts) stellt eine typische Situation nach, wie sie auch beim Wesenstest abgefragt wird: Mit einem Regenschirm geht er auf Bullterrier-Hündin Rosi und Herrchen Ray Gramatzki zu.
"Rosi bleibt ganz cool"
Auch bei direkten Begegnungen mit anderen Hunden muss Rosi Ruhe bewahren und sitzen bleiben.